Robinson Crusoe gibt ein schönes Beispiel für das Verhalten eines gestrandeten und einsamen Menschen. Nachdem er sich auf einer menschenleeren lnsel eine notdürftige Behausung zusammen gebaut und seinen Hunger gestillt hatte, suchte er nach geeignetem Rohmaterial, das er mit selbst gefertigten Werkzeugen bearbeitete und zu einem homomorphen Gebilde formte. Das war lange Zeit vor seiner Begegnung mit Freitag. Als zivilisierter Mensch, der ein Gemeinschaftswesen ist, schuf sich Robinson ein Gegenüber, mit dem er kommunizieren konnte. lndem er Gedanken, Vorstellungen und Wunschbilder auf das bearbeitete Material übertrug und hineinsah, sogar mit ihm redete, verwandelte er das Material in ein Idol oder in einen Fetisch. Durch seine Projektionen verlieh er ihm Bedeutung und gab ihm einen Zweck. Durch ständigen Umgang mit diesem selbstgeschaffenen Idol oder Fetisch verlieh er ihm sogar Macht. Dennoch fand er in dieser auf Projektion basierenden Kommunikation ein kleines Glück. Für Robinson war sie eine Überlebensstrategie, mit der er sein Ausgeschlossensein kompensieren konnte. Den späteren Verlust seines Idols empfand er als besonders schmerzlich. Robinson hatte es bis hin zur ldolatrie getrieben. Mit einer einfachen zeichenhaften Einblendung macht Stefan Rinck auf diesen Zusammenhang aufmerksam und nimmt Bezug zur beschriebenen Situation. Es ist eine kleine Skulptur von einem lnselstück mit Palme. Archetypisch, fremd und vertraut zugleich, eigenwillig in der Formgebung, schräg und skurril, bildet dieses lnselstück den Auftakt für eine ganze Reihe von Projektionen und Trugbildern des modernen Menschen, mit denen dieser inmitten der Zivilisation sich seine eigenen kleinen Welten einrichtet. Davon berichtet dann die Ausstellung mit einer Fülle von geheimen Verführern und Dämonen. Stefan Rinck entwickelt sein Werk in der Auseinandersetzung mit Figuren aus Büchern und der medialen Welt von Film, Fernsehen, Computersimulation und Werbung als Reservoir an Motiven und Motivationen. Er greift Mythen, Zeichen und Symbole auf, weil sie so oft hinter den Dingen stecken und läßt diese wiederum von Dämonen ergreifen, die mit ihnen ihre Machlspielchen demonstrieren. Der Versuchung des heiligen Antonius gleich läßt Stefan Rinck eine kleine Armee raffgieriger und Besitz ergreifender Dämonen aufmarschieren. Sie
treten ins Erscheinungsbild von Zwergen, Schlümpfen, TeleTubbies, sie haben etwas Triviales wie Archetypisches, sind skurril und grotesk.
Dr. Jürgen Ecker